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2nd Leg

by Le Millipede

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Zuerst kommen die Fassschläger, kommt das Hämmern ihrer Schlägel auf die Fässer, ihr Schallen durch der Altstadt menschenleeren Straßen. Dann kommt der Reifenschwinger, ohne einen Tropfen zu verschütten lässt er den Holzreifen schwingen, das Schnapsglas obenauf. Am Ende landet es hinter seinem Rücken, in der Mütze vom Kasperl, dem Spaßmacher. Kunterbunt wie eine Vogelscheuche thront der in der Mitte über der Szenerie auf einem Schaff, rings um ihn rum einen Ring formend mit Buchskränzen, so kreisen die Schäffler um ihn, ein Pestband einjeder quer über der Brust, zu weißen Kniestrümpfen, schwarzer Kniebund, Schurzleder, roter Jacke und grüner Kappe mit weißem Federbusch. Böttcher und Büttner, Küfner und Küper, Fassbinder, Simmer- und Tonnenmacher sind sie andernorts in ihrer Zunft, hier sind sie Schäffler. Schwarz ihre Schuhe, die tanzend voltigieren, die Menschen zurück auf die Straßen, die Gassen, die Plätze zu führen. Es ist die Pest, die sie an der Longe hält, seit 1515 hinter Schloss und Riegel gebannt, und nun, im 1517er, von den mutigen Fassmachern ausgekehrt, ein Leben herausfordernd, was gewagt werden will. Und so hört sie auf, und hört doch nie auf, die kreisrunde Szene im Spielwerkserker, um Elf und um Zwölf und um Fünf Uhr final, die kinematische Ordnung mit Glockengeklirr.

Eine Etage höher, chronologisch verkehrt, wird davor dargestellt, wie Adel sich bindet und öffentlich von kündet, auf dass die ganze Stadt weiss: Der Wilhelm, der Fünfte, und die Renata von Lothringen, sie haben sich gefunden, im Februar 1568 als Herzog und Herzogene hier auf dem Marienplatze sich herrlich verehelichtend. Sechzehn Figuren sehen wir in dieser Szene, wenn sich Herolde und Narren, Fanfarenbläser und Pagen, Standartenträger und Morisken drehen und nochmal drehen, das Turnierfeld zu säumen, in welches der Platz wird verwandelt, drauf Bayern und Lothringen sich schlagend, ein Reiter muss fallen, ein Opfer für den Gemahl, wenn Weißblau stößt Rotgelb mit der Lanz hart vom Gaul. Derweil reglos verweilt das Fürstenpaar und ihr Marschall. Doch hier tanzen Morisken ihren Schellentanz, konvertierte Muslime und maurische Sprungfedern mögen sie sein, wenn ihnen die Cascabeles gleich Klingglöckchen bis in die Fußspitzen rasseln, wie nur der getrockneten Kirschpaprika Samen beim Schütteln eben rasseln.

Achtzehn Tage Hochzeit, wir sehen sie in kaum drei Minuten, wie in einem Panoptikum aus der Vorfilmzeit, in wachsfigürlicher Erstarrung, in der Zeit vor dem Film, als der Film noch nicht erfunden und es kein Kino noch gab. Nicht zu sehen bekommen wir den Lebensabend von Wilhelm und Renata in klösterlicher Frömmigkeit: Auf Feierei und Wandlung vom Hennen- und Badehaus ins weltberühmte Hofbräuhaus folgten Abdankung und Entsagung. Nein, in ewig schleifender Wiederholung, ein Schlaglicht auf die Vermählung, in einer Erfindung, um Massen aufblicken zu lassen, und von oben aus ihnen beim Aufblicken zusehen zu können. Doch der Schäffler Fassschläger, sie sind nicht zu sehen, in dieser Neo-Gothik von Neunzehnhundertundzehn. Allein die klingenden Glocken lassen die Tänzer sich drehen, als Ablenkung davon, dass Hauberrisser hier keine Vision im Geiste erschien, als er hier zu München nachbauen ließ den Belfried von Brüssel und das Neue Rathaus von Wien.

English Version:

First come the barrel beaters, the hammering of their mallets on the barrels, their resounding through the deserted streets of the old town. Then comes the hoop swinger, without spilling a drop he lets the wooden hoop swing, the schnapps glass on top. In the end it lands behind his back, in the cap of Kasperl, the joker. Colourful as a scarecrow, he is enthroned in the middle of the scenery on a sheep, forming a ring around him with box wreaths, so the Schäffler circle around him, a plague ribbon each across the chest, with white knee socks, black knee-breeches, apron leather, red jacket and green cap with a white plume. Coopers and coopers, coopers and coopers, barrel makers, simmer makers and barrel makers are their guilds elsewhere, here they are Schäffler. Their shoes are black and they dance to lead people back to the streets, the alleys and the squares. It is the plague that keeps them on the lunge, banished behind lock and key since 1515, and now, in 1517, swept out by the brave barrel makers, challenging a life that wants to be dared. And so it stops, and yet never stops, the circular scene in the Spielwerkserker, at eleven and at twelve and at five o'clock final, the kinematic order with the clanging of bells.

One storey higher, chronologically reversed, in front of it is depicted how nobility binds itself and publicly announces it, so that the whole city knows: Wilhelm the Fifth and Renata of Lorraine, they have found each other, in February 1568 as duke and duke's wife, marrying here on Marienplatz. We see sixteen figures in this scene, when heralds and jesters, fanfare players and pages, standard bearers and moriscos turn and turn again to line the tournament field into which the square is transformed, on which Bavaria and Lorraine fight, a rider must fall, a sacrifice for the husband, when white and blue pushes red and yellow hard from the horse with the lance. Meanwhile the princely couple and their marshal remain motionless. But here Moriscos dance their shell dance, converted Muslims and Moorish springers they may be, when the Cascabeles rattle like jingling bells to the tips of their feet, as only the seeds of dried cherry peppers rattle when shaken.

Eighteen days of marriage, we see them in barely three minutes, as if in a panopticon from the pre-film era, in wax-figure torpor, in the time before film, when film had not yet been invented and there was no cinema. We don't get to see the twilight years of Wilhelm and Renata in monastic piety: celebration and transformation from the henhouse and bathhouse to the world-famous Hofbräuhaus were followed by abdication and renunciation. No, in eternally grinding repetition, a spotlight on the marriage, in an invention to make masses look up, and to watch them look up from above. But the Schäffler Fassschläger, they are not to be seen, in this neo-gothic of nineteen hundred and ten. The ringing bells alone make the dancers turn, as a distraction from the fact that Hauberrisser did not have a vision in his mind when he had the Belfry of Brussels and the New City Hall of Vienna rebuilt here in Munich.

credits

released December 17, 2020
"Le Millipede, das Projekt von Mathias Götz, Musik wie ein Freund, mit dem man schon Feste und Alien Diskos gefeiert hat, und jetzt zum 5 Jährigen 5 neue Beinchen

freundlich, exotisch, entspannt… zurückhaltend und dennoch tiefgehend, sphärisch, auch mal besinnlich und nicht zuletzt gesellig sind sie

Dub, Jazz, Downbeat, abstrakte Stimme, Text, Bild und was noch? passt alles gut zum Jahreswechsel und in diese Zeit, ist aber darüberhinaus auch zeitlos und ein sympathischer Begleiter…"

www.radio-z.net/de - Stefan Wagner/ Nürnberg 01/21

"tolle Track - super Konzept" 12/20

www.digitalinberlin.de - Dirk Markham zu 1st Leg und der neuen Serie

music by Le Millipede alias Mathias Götz
film essay by Pico Be alias Federico Sánchez
artwork by frau forster alias Elisabeth Forster

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Le Millipede Munich, Germany

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